Gesundheit

Drogenmischkonsum, das heißt die zeitgleiche oder zeitnahe Einnahme verschiedener Drogen, ist heute bei der Mehrheit der Drogengebraucher eine übliche Praxis. Doch nur eine kleine Minderheit dieser Drogengebraucher verfügt über ein fundiertes Wissen bezüglich der Wirkungen und Nebenwirkungen der eingenommenen Substanzkombinationen. Bei der großen Mehrheit der Drogengebraucher herrscht diesbezüglich ein großesInformationsdefizit.
Dies gilt übrigens auch für die meisten Drogenberater und Sozialarbeiter, deren Aufgabe es ja eigentlich ist, die Drogengebraucher aufzuklären, zu beraten und bei Bedarf ihnen auch Hilfe anzubieten.

Einem Informationsdefizit kann man nur mit präzisen, wissenschaftlich fundierten Informationen entgegenwirken.

Drogenmischkonsum dargestellt

Erfahrungsbewertung 2er Drogen Misch Kombination

In der Gesamtschau wird deutlich, dass Mischkonsum bei denjenigen, die mindestens eine illegale Droge kennen, ein relativ verbreitetes Phänomen ist. Die Praxisrelevanz eines solchen Konsummusters ist jedoch je nach betrachteter Drogenkombination sehr unterschiedlich: Erfahrungen mit Kombinationen aus Alkohol plus einer illegalen Droge stellen bei den Befragten praktisch die Regel dar. Insgesamt berichteten über 90 Prozent der Drogenerfahrenen und je nach Drogenkombination 70 Prozent bis 88 Prozent (letztere bei Cannabis) der Personen mit Konsumerfahrungen sowohl mit Alkohol als auch mit einer illegalen Droge von entsprechendem Mischkonsum. Dieser Befund mag der offenkundig starken Integration des Alkoholkonsums in den Alltag und der damit verknüpften, wenig reflektierten Umgangsweise mit dieser psychoaktiven Substanz geschuldet sein. Auf diese Weise wird diese in ihrer Funktion und Wirkung als Kombinationsmittel beim Konsum anderer Drogen möglicherweise gar nicht wahrgenommen. Beachtenswert sind bei Kombinationen mit Alkohol ferner – anders als bei solchen aus zwei illegalen Drogen – die Diskrepanzen zwischen der Verbreitung von Mischkonsum (Lebenszeitprävalenz) und dessen subjektiver Erfahrungsbewertungen: Auch zu eher negativ beurteilten Kombinationen existierte stets eine Verbreitn mindestens 70 Prozent.

Diese Ergebnisse sind möglicherweise ein Indiz dafür, dass die Hemmschwelle, eine bereits bekannte illegale Droge zusammen mit der Alltagsdroge Alkohol auszuprobieren, deutlich niedriger ist als bei der Kombination zweier illegalen Drogen. Alkohol ist jedoch keinesfalls ein „harmloser“ Kombinationspartner für Mischkonsum. So können Kombinationen von Alkohol plus Speed oder plus Kokain bei ekstatischem Tanzen etwa in der Technoszene zu einem starken Wasserverlust und so zu einer lebensbedrohlichen Entgleisung der Thermoregulation führen (vgl. Harrach, 2003). Es deutet sich hierzu ein offensichtlicher Bedarf an mehr Aufklärung und Information an. Bezogen auf die Lebenszeitprävalenz waren Kombinationen aus zwei illegalen Substanzen im Vergleich zu Kombinationen unter Beteiligung von Alkohol deutlich weniger verbreitet.

Schlussfolgerungen für die Praxis

Aus den vorgelegten Ergebnissen lassen sich für die praktische Arbeit im Bereich der Prävention wichtige Schlussfolgerungen ableiten.

Was im Rahmen der sogenannten Sekundärprävention bzw. einer akzeptierenden Prävention schon seit mehreren Jahren zum Konsum einzelner Drogen erfolgreich praktiziert wird, sollte künftig auch für die zahlreichen Formen des Mischkonsums gelten. Die bisher durchweg geforderte Totalabstinenz zum Mischkonsum sollte zugunsten eines akzeptierenden Ansatzes korrigiert werden. Eine pauschalisierte, undifferenzierte Nein-Empfehlung wird Drogenkonsumerfahrene in der Regel nicht von deren Bereitschaft abhalten, Erfahrungen mit weiteren Drogen/Drogenkombinationen zu sammeln. Mit einer solchen Präventionsstrategie werden vielmehr mögliche beratende Hilfestellungen verweigert. Deshalb sollte die bisherige Forde-rung nach bedingungsloser Abstinenz durch die Botschaft „Wenn schon, dann aber …“ ersetzt werden.

Mit Safer-Use-Hinweisen sollte insbesondere für die jeweils speziellen pharmakologischen und auch die situationsbedingten Risiken (ungünstiges soziales Umfeld, ungünstiges Set und Setting etc.) sensibilisiert werden. Hierbei sind insbesondere auch die weit verbreiteten Mischkonsumformen unter Beteiligung von Alkohol einzubeziehen. Anders als bei Kombinationen aus zwei illegalisierten Drogen, erfolgt die Näherung an diese Mischkonsumformen zudem weniger vorsichtig und differenziert, so dass von einer erheblichen Risikobelastung auszugehen ist.

Als praxisrelevante Grundthesen wurden aus der Studie abgeleitet:

  • Der Mischkonsum aus zwei illegalisierten Drogen ist eher nicht als chaotische und wahllose Substanzeinnahme zu sehen, sondern muss überwiegend als zielgerichtetes sowie durch Lernprozesse gestütztes Handeln verstanden werden. Jene Konsumenten wollen damit den von ihnen gewünschten Effekten des Drogenkonsums näher kommen. In die Entscheidungen für oder gegen eine bestimmte Drogenkombination gehen sowohl deren pharmakologische Akutwirkung als auch sonstige soziale Randbedingungen (Szenenbezüge, Set und Setting etc.) ein.
  • Obige Regel gilt jedoch weniger für die am meisten verbreiteten Mischkonsumformen und damit die mit Beteiligung von Alkohol, denen sich anscheinend weniger kritisch und reflektierend genähert wird..
  • Das bisher durchweg popularisierte undifferenzierte „Nein“ bzw. die geforderte Totalabstinenz zum Mischkonsum sollte zugunsten eines akzeptierenden Ansatzes korrigiert werden, bei dem die zukünftige Botschaft „Wenn schon, dann aber ….“ mit entsprechenden Safer-Use-Hinweisen unter Einbezug pharmakologischer und situationsbedingter Risiken zu versehen ist
  • Der nicht unerheblichen Verbreitung verschiedenster Mischkonsumformen stehen kaum gesicherte medizinische Erkenntnisse zu deren Akut- und insbesondere Spätfolgen gegenüber, hier ist weiterer Forschungsbedarf geboten.

Quelle: „Prävalenzen und Konsumbewertungen – Drogenmischkonsum anders verstehen!“ Juni 2004, Barsch, Gundula; Eul, Joachim; Harrach Tibor; HTML Variante

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